Wildtier-Nachwuchs

Helfen mit Bedacht!

Es ist wieder Jungvogel-Zeit, und auch andere Wildtiere sind aktuell mit der Aufzucht ihres Nachwuchses beschäftigt.
Tierärzte, Tierheime und Tierschutzvereine werden in dieser Zeit traditionell von Anrufen und Anfragen besorgter Mitmenschen „überschüttet“, die ein vermeintlich hilfebedürftiges Jungtier gefunden haben. Auch wir möchten gern dabei helfen, Sensibilität für dieses Thema zu wecken: Denn „gut gemeint“ ist nicht immer auch „gut gemacht“.

Erst beobachten, dann (gegebenenfalls) handeln
Ein Jungtier, das in freier Natur aufgefunden wird, ist nicht automatisch hilfebedürftig! In der Regel sind die Elterntiere in der Nähe und versorgen ihren Nachwuchs. Besonders Rehkitze oder junge Feldhasen verstecken sich zum Beispiel reglos im langen Gras, um keine Fressfeinde auf sich aufmerksam zu machen. Eine Häsin etwa kommt für gewöhnlich nur zweimal am Tag zum Säugen. Das Jungtier wirkt damit auf den ersten Blick verwaist, obwohl es bestens versorgt ist!
Die richtige Taktik bei einem nicht offensichtlich verletzten oder geschwächten Tier lautet also Abstand halten und sitzen lassen. Bei Besorgnis sollte das Jungtier aus sicherer Entfernung über einen längeren (!) Zeitraum beobachtet werden, bevor über ein Eingreifen nachgedacht wird.
Vor allem bei Säugetieren gilt außerdem: Bitte nicht anfassen! Der menschliche Geruch könnte dazu führen, dass das Jungtier anschließend tatsächlich von der Mutter verlassen wird.

Nestling vs. Ästling
Auch die heimischen Wildvögel haben zurzeit mit der Aufzucht ihres Nachwuchses alle Schnäbel voll zu tun. Flugunfähige Jungtiere werden immer wieder von hilfsbereiten Passanten aufgegriffen – dabei ist es vollkommen normal, dass sie schon kurz vor Erlangen der Flugfähigkeit auf dem Boden anzutreffen sind. Nur nackte „Nestlinge“ benötigen außerhalb des Nestes tatsächlich Hilfe. Die besteht im Idealfall darin, sie einfach wieder in ihr Nest zu setzen.
Vollständig befiederte, unverletzte „Ästlinge“ dagegen werden besser in Ruhe gelassen. Sitzen sie an gefährlichen Orten, etwa mitten auf einer Straße, können sie auch vorsichtig an einen sicheren Platz in der Nähe gebracht werden: zum Beispiel in eine Hecke. Im Gegensatz zu Säugetieren stören sich Vogeleltern übrigens nicht am menschlichen Geruch.
Bei verletzten Vögeln oder nackten Nestlingen ohne auffindbares Nest kann eine Versorgung durch Fachpersonen notwendig sein. Die Aufzucht und das spätere Auswildern von Jungtieren sind gar nicht so einfach und nicht immer erfolgreich: Deshalb gehören diese in die Obhut ihrer Eltern oder im Fall der Fälle in Profihand!

Weitere Infos und Unterstützung sowie eine Liste von Pflegestellen und Auffangstationen gibt es zum Beispiel beim Wildtierschutz Deutschland e. V.: https://www.wildtierschutz-deutschland.de/verletztes-wildtier-gefunden

Wir wünschen Ihnen und Ihren Vierbeinern einen sonnigen Frühling!

Ihr Team der Tierarztpraxis Dr. Marianne Nieder